Es ist Juli. Und es heiß. Das richtige Wetter für den Alpenbock der Temperaturen über 30 Grad liebt. Diese geschützte Käferart, die nur an wenigen Stellen auf der schwäbischen Alb vorkommt, war vor kurzem Grund für ein persönliches Experiment: der Versuch auf die Suche nach einem Motiv zu gehen.

Das hört sich vielleicht etwas seltsam an, aber meine Art der Fotografie ist normalerweise darauf ausgelegt, dass mich die Motive eher „finden“ und nicht umgekehrt. Zumindest empfinde ich dies so, da es zuvor weder Planung noch eine Bildvorstellung für mich gibt.

Und hier wollte ich mit diesem „Selbstversuch“ eine neue Erfahrung machen. Ich wusste, dass das Wetter passend dafür sein könnte, den seltenen Alpenbock in seinem natürlichen Umfeld zu erleben. Obwohl es noch früh in der „Alpenbock-Saison“ war machte ich mich daher auf den Weg in eines seiner Reviere um zu erkunden, wie sich die bewusste Suche nach einem Motiv emotional von meiner sonst üblichen Art der Fotografie unterscheidet.

Der erste Unterschied war bereits auf dem Weg durch den Wald erkennbar. Denn die etwa 20-minütige Wanderung war nicht wie sonst ein absichtsloses Gehen, sondern es war der Weg zu einem Ziel. Zumindest fühlte sich es so an, da ich mir nicht wie sonst die Gelegenheit nahm, in Ruhe links und rechts des Weges nach Motiven zu schauen.

Als mir dies nach einigen hundert Metern bewusst wurde versuchte ich meinen Schritt zu verlangsamen, den Weg das Ziel sein zu lassen. Aber schnell spürte ich, dass sich meine Gedanken zu sehr darum kreisten, ob ich einen der Käfer zu sehen bekommen werde. Also beschloss ich, dem Drang des Zieles nachzugeben und den Weg „hin zu Etwas“ zu gehen anstatt „auf dem Weg“ zu sein.

In seinem Revier angekommen begann ich mit der Suche nach dem Alpenbock. Ich hoffte, ihn durch seine blaue Farbe auf einem Stapel frisch gefällter Buchenstämme leicht erspähen zu können. Leider war die Suche dort vergeblich. Daher streifte ich weiter durch den Wald, nun auf der Suche nach abgestorbenen, aber noch stehenden Buchen, die ihm als Brutbaum dienen könnten.

Nach kurzer Zeit fand ich ein solches Baum-Exemplar, das zwischen grünen stacheligen Sträuchern mit seiner morbiden Schönheit Richtung Himmel emporragte. Ich ließ meinen Blick über den teils rindenlosen Stamm schweifen, konnte aber beim Umrunden des Baumes nirdens das Blau des Alpenbocks erkennen. Vielleicht war es ja doch noch zu früh im Jahr oder es war nicht heiß genug… der Wind am Albtrauf war ja doch um einiges frischer als dies bei meinem Start im Alb-Vorland war…

Als ich mir diese Fragen stellte wurde mir ein weiterer Unterschied zu meinen sonst üblichen Fototouren bewusst. Das Gefühl von Enttäuschung, nicht das zu finden, was ich gesucht habe. Und das kann es nur geben, wenn man tatsächlich nach etwas bestimmten Ausschau hält. Es war zwar noch früh am Mittag, aber dennoch fragte eine innere Stimme in mir, ob der Weg nicht umsonst war. Naja, eigentlich war das quatsch, denn es war ja ein netter Spaziergang zu dem Ort, der für sich selbst ja auch schon wunderschön ist. Aber dennoch war da das Ziel des Alpenbocks das in diesem Moment in Frage gestellt war.

Ich drehte mich schon Weg zum Weitergehen als ich im Augenwinkel gerade noch eine Bewegung wahrnahm. Da krabbelte etwas. Nein, nicht blau, er wirkte eher grau. Vielleicht hatte ich ihn deshalb zunächst nicht gesehen, da er sich bei diesem Blickwinkel nicht wirklich von der Farbe des toten Stammes unterschied. Aber er war da. Mein erster aktiv gesucht und tatsächlich gefundener Alpenbock. Und das war dann wiederum eine Emotion die es halt auch nur bei einem vorhandenen Ziel gibt. Es letztlich tatsächlich erreicht zu haben.

Hier der Blick „aus dem Augenwinkel“

Letztlich gelang es mir, auf zwei verschiedenen Bäumen zwei dieser wundervollen Geschöpfe zu erspähen. Ein paar fotografische Eindrücke möchte ich hier präsentieren. Viel Spaß beim Betrachten!

Rückblickend kann ich sagen, es war ein tolles Erlebnis. Ein fotografisches Ziel anzuvisieren und das Glück zu haben, das Motiv auch tatsächlich zu finden. Aber ich muss auch zugeben, die Anspannung auf der Suche war größer als bei einer „absichtslosen“ Tour. Für meine entspannte Fotografie werde ich vermutlich weiterhin eher die Motive auf mich zukommen lassen als nach ihnen auf die Suche zu gehen. So hat halt jeder seine Art der Fotografie.

Bleibt entspannt